Acht Übungen zu mehr Achtsamkeit und Ruhe im Alltag.
Übung 1: Innehalten
Halten Sie gelegentlich im Laufe des Tages inne und werden Sie sich Ihres Atmens bewusst. Dazu reichen fünf Minuten oder sogar nur fünf Sekunden. Lassen Sie alles los und akzeptieren Sie den Augenblick voll und ganz, einschließlich dessen, wie Sie sich fühlen und wie Sie das Geschehen wahrnehmen. Versuchen Sie, in solchen Augenblicken absolut nicht zu verändern. Atmen Sie einfach und lassen Sie los. Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass in diesem Augenblick irgendetwas anders sein sollte. Geben Sie sich in Ihrem Geist und in Ihrem Herzen die Erlaubnis, diesen Augenblick genau so sein zu lassen, wie er ist. Und gestehen Sie sich auch zu, genau so zu sein, wie Sie sind.
Übung 2: Atem wahrnehmen
Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit einen vollständigen Atemzug auf Ihren Atem. Verfolgen Sie, wie die Luft in Ihren Körper einströmt und ihn wieder verlässt. Halten Sie Ihren Geist offen und frei für diesen einen Augenblick, für diesen einen Atemzug. Lassen Sie alle Vorstellungen darüber los, dass Sie irgendwo hinkommen wollen oder dass irgendetwas geschehen sollte. Kehren Sie einfach immer wieder zu Ihrem Atem zurück, wenn Ihr Geist abschweift, und reihen Sie Augenblicke der Achtsamkeit aneinander, Atemzug um Atemzug.
Übung 3: Geduld
Schauen Sie in die Ungeduld und die Wut hinein, wenn sie auftauchen. Versuchen Sie, sich eine andere Sichtweise zu eigen zu machen, die erkennen lässt, dass die Dinge sich zu gegebener Zeit entfalten. Das ist besonders nützlich, wenn Sie das Gefühl haben, unter Druck zu strehen und blockiert zu sein oder sich in etwas verbissen zu haben, das Sie unbedingt haben oder tun wollen. So schwer es Ihnen auch erscheinen mag, versuchen Sie, in solchen Augenblicken dem Fluss zu lauschen, statt ihn anzutreiben. Was erzählt er Ihnen? Was sagt er, dass Sie machen sollen? Wenn er nichts sagt, dann atmen Sie einfach, und lassen Sie die Dinge so sein, wie sie sind, überantworten Sie alles der Geduld, und fahren Sie fort zu lauschen. Wenn der Fluss Ihnen etwas rät, dann tun Sie dies, aber tun Sie es achtsam. Und halten Sie anschließend inne, warten Sie geduldig, und wenn es nur für einen einzigen Augenblick ist.
Übung 4: Nicht-Urteilen
Obwohl unser Denken unser gesamtes Erleben prägt, sind unsere Gedanken meist nicht völlig korrekt. Gewöhnlich sind sie lediglich Verallgemeinerungen unserer persönlichen Meinungen, Reaktionen und Vorurteile, die auf begrenztem Wissen beruhen und die hauptsächlich unter dem Einfluss früherer Konditionierungen entstanden sind. Deshalb kann unser Denken uns daran hindern, im gegenwärtigen Augenblick klar zu sehen.
Sich eines tief verankerten Musters bewusst zu sein und es zu beobachten, wenn es aktiviert wird, hilft uns, weniger automatisch zu urteilen, empfänglicher zu werden und uns allgemein eine Haltung der Akzeptanz anzueignen. Dies bedeutet nicht, dass wir fortan nicht mehr in der Lage sind, verantwortlich zu handeln, oder dass alles, was andere Menschen tun, für uns von vornherein unangreifbar ist. Es bedeutet lediglich, dass wir mit wesentlich größerer Klarheit, ausgeglichener, effektiver und ethischer zu handeln vermögen, wenn wir wissen, dass wir uns in einem Strom unbewussten Mögens und Nicht-Mögens befinden.
Übung 5: Vertrauen
Vertrauen ist ein Gefühl der Zuversicht oder der Überzeugung, dass die Dinge sich in einem verlässlichen Rahmen entfalten, der Ordnung und Integrität beinhaltet. Schauen wir uns zunächst gründlich an, worauf wir bei uns selbst vertrauen können. Falls uns nicht klar ist, welchen Anteilen in unserem Inneren wir vertrauen können, müssen wir vielleicht ein wenig tiefer in uns hineinschauen, ein wenig länger still in uns selbst, im bloßen Sein verweilen. Wenn wir uns nicht dessen bewusst sind, was wir während eines großen Teils der Zeit tun, und wenn uns die Art, wie sich unser Leben entwickelt, nicht sonderlich behagt, ist es angezeigt, einmal genauer hinzuschauen, den Kontakt zu uns selbst zu intensivieren, über die Entscheidungen, die wir treffen, und ihre Konsequenzen zu reflektieren. Vielleicht können wir auch damit experimentieren, dem Augenblick zu vertrauen, zu akzeptieren, was auch immer wir in diesem Augenblick fühlen oder denken oder sehen. Durch solche Experimente kann, wenn wir sie immer wieder ausführen, das Gefühl entstehen, dass sich irgendwo tief in unserem Inneren ein durch und durch gesunder und vertrauenswürdiger Kern befindet und dass unsere Intuitionen, jene tiefen Resonanzen der Gegebenheit des gegenwärtigen Augenblicks, es wert sind, dass wir Ihnen vertrauen.
Übung 6: Gr0ßzügigkeit
Achten Sie auf Ihren Widerstand gegen den Impuls zu geben, auf die Sorgen um die Zukunft, auf das Gefühl, das Sie vielleicht zu viel geben könnten, auf den Gedanken, dass Ihr Geben nicht in gebührender Weise gewürdigt werden könnte, dass die Anstrengung Sie erschöpfen könnte, dass Sie selbst nichts davon haben oder dass Sie selbst nicht genug besitzen. Geben Sie von sich aus. Warten Sie nicht darauf, dass irgendjemand Sie um etwas bittet. Beobachten Sie, was geschieht, wenn Sie geben – besonders Ihnen selbst. Vielleicht gewinnen Sie mehr Klarheit über sich selbst und über Ihre Beziehungen. Vielleicht registrieren Sie einen Zuwachs an Energie statt einer Verringerung. Vielleicht stellen Sie fest, dass Ihre Ressourcen wie von Zauberhand aufgefüllt werden, statt sich zu erschöpfen.
Übung 7: Schwäche zeigen
Beobachten Sie, wie Sie Hindernissen mit Härte begegnen. Versuchen Sie, weich zu sein, wenn Ihr Impuls ist, hart zu sein, großzügig zu sein, wenn Ihr Impuls ist, zurückhaltend zu sein, offen zu sein, wenn Ihr Impuls ist, sich emotional zu verschließen. Wenn Sie bekümmert oder traurig sind, dann versuchen Sie, diese Gefühle zuzulassen. Erlauben Sie sich zu fühlen, was auch immer Sie fühlen. Achten Sie darauf, ob Sie dem Weinen oder dem Gefühl der Verletztheit irgendwelche Etiketten aufdrücken. Vermeiden Sie es, Gefühle zu etikettieren, und versuchen Sie stattdessen, das Gewahrsein von Augenblick zu Augenblick zu entwickeln, auf den Wellen des Auf und Ab, des Gut und Schlecht, des Schwach und Stark zu reiten, bis Sie erkennen, dass alle Kategorien Ihr Erleben nicht auf umfassende Weise zu beschreiben vermögen. Bleiben Sie beim Erleben selbst.
Übung 8: Konzentration
Konzentration lässt sich entwickeln, indem man ein bestimmtes Objekt in den Brennpunkt rückt, beispielsweise den Atem. Unsere Energie ist ausschließlich darauf gerichtet zu erleben, wie dieser Atemzug in die Lunge einströmt und wie dieser Atemzug aus der Lunge ausströmt oder auf ein anderes einzelnes Objekt. Durch intensive Konzentrationsübung entsteht eine stabile innere Ruhe. Sie ist unerschütterlich, tief und nur schwer zu stören, ganz gleich, was geschieht.
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▸ Lust auf mehr? Die Übungen stammen aus dem Buch von Jon Kabbat-Zinn „Im Alltag Ruhe finden“.