Changes necessary
“Die einen wollen die Welt retten, die anderen ins Büro” sagt Maja Göpel in ihrem Buch “Unsere Welt neu denken”, welches 2020 veröffentlicht wurde und von dem es innerhalb eines Jahres bereits die 15. Neuauflage gibt (S. 11). Die Sehnsucht der Menschen nach Veränderung scheint groß zu sein. Anders lässt sich der Erfolg der Autorin mit diesem Buch für mich kaum erklären. Warum sollten wir uns sonst auf den kritischen Blick auf unser Verhalten einlassen und unseren erreichten Wohlstand in Frage stellen? Maja Göpel formuliert es als Einladung, dass wir “unsere Denkmuster auf ihre Tauglichkeit für die Gegenwart” prüfen müssen, um “aus der Krise in die Zukunftsgestaltung im 21. Jahrhundert (zu) kommen” (S.15). Sie lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass weitermachen wie bisher nicht mehr funktioniert. Maja Göpel schaut aus der gesellschaftspolitischen Brille auf Veränderung und spricht dennoch jedes Individuum an: “Zukunft ist nichts, was bloß vom Himmel fällt. Nichts, das einfach nur so passiert. Sie ist in vielen Teilen das Ergebnis unserer Entscheidungen” (S. 14). Kommt Ihnen das bekannt vor? Der Kontext Coaching stellt die gleichen Fragen und trifft die gleichen Annahmen: “Systeme, die Menschen gemacht haben, funktionieren anders” (S. 16); “es sind unsere selbst gemachten Regeln, aus denen die Welt, wie wir sie kennen und uns eingerichtet haben, besteht” (S. 17); “wer nicht hinterfragt, was und warum er etwas tut, kann sich auch nicht entscheiden, anders zu handeln” (S. 17). Was hält uns also davon ab, die Verantwortung für Veränderung zu übernehmen - sowohl als Individuum, als Organisation und als Gesellschaft? Da gibt es sicherlich viele Gründe für, die auch relevant sind. Die Verantwortung bleibt dennoch bei uns, trotz komplexer Probleme und schwierigen Situationen darüber nachzudenken, was möglich ist und zu handeln.
Möglichkeitsräume
Der Ansatz, den ich in Maja Göpels Buch gelesen und interpretiert habe, geht auf die Reflexion selbst gemachter Systeme und dem Verhalten der Akteure zurück. Neue Möglichkeiten entstehen, indem wir uns ‘Wissen’ aneignen und bisherige Gewissheiten hinterfragen (S. 22). Dabei geht es um ‘hilfreiches Wissen’ (S. 57), um überhaupt in der Lage zu sein, etwas zu reflektieren und zu hinterfragen. Durch Fragen nähern wir uns dem Wissen an und machen uns ein ‘echtes Bild’ von dem, was ist: “… der alltägliche Eindruck vermittelt nicht unbedingt die größeren Zusammenhänge” (S. 25). Die Art zu hinterfragen wird zunächst ungewohnt sein. Doch sie ist der Dreh- und Angelpunkt für das neue Denken: “Welches Bild sich die Menschen von einer Sache machen, sagt also noch nicht notwendig etwas darüber aus, womit man es zu tun hat. Vielmehr erzählt es uns zunächst nur etwas darüber, wie sich Menschen dieser Sache nähern. Das ist ein Unterschied - und nicht gerade ein kleiner.” (S. 25). Unsere Welt - persönlich, unternehmerisch oder gesellschaftlich - neu zu denken ist weder ein Slogan oder eine Metapher; sondern meint genau das, was gesagt wird: Wir brauchen ein anderes Denken - ein reflexives Denken, damit Möglichkeiten sichtbar werden.
Reflexives Denken
Das reflexive Denken ist in der sozialwissenschaftlichen Denktradition erst einmal nichts Neues und ihre Vertreter wie Bourdieu und Dewey stehen für ‘Durchdenken’ und ‘Durchbrechen von Routinen durch Denken’ in angstfreien Räumen. Coaching arbeitet idealerweise in dieser Denkart und in der Wissenschaft steckt diese Denkart bereits in dem Begriff. Neues Wissen generiert sich durch analysieren und hinterfragen, durch experimentieren und quantifizieren. “Um die Welt neu zu denken, genügt es manchmal schon, nur eine einzige Sache anders zu bewerten als bisher” (S. 70) sagt Maja Göpel. Und ihre Einladung an alle, sich dieses neue Denken anzueignen, enthält implizit die Aussage, dass wir mit weitermachen wie bisher nicht weiterkommen. Auch hier ist es gleichgültig, ob es sich um persönliche Themen (z.B. berufliche Veränderungen, Konflikte, Kommunikation, Lehre) oder gesellschaftliche (z.B. Demokratie, Bildung, Soziale Gerechtigkeit, Wirtschaftliches Handeln, Klimakrise, Gesundheit) handelt. Mit mehr vom bisherigen Denken und Handeln sind erwünschte Veränderungen nicht möglich. Weder für Sie persönlich noch für die gesamte Gesellschaft.